UNART im Dialog mit dem Ausstellungsbesucher
Eckhard Grässlin, 1993
Die UNART-Ausstellung im Aalto-Theater ist ein weiterer Schritt des Projekts, sich nach außen hin darzustellen. Bisherige Ausstellungen in der Zeche Carl 1985 oder in der evangelischen Fachhochschule für Sozialwesen in Bochum 1992 zeigten, wie wichtig es ist, den entstandenen Arbeiten ihren Ausdruck in der Öffentlichkeit zu verleihen. Künstlerische Prozesse werden dem/der Interessierten als Resultate der gemeinsamen Atelierarbeit vorgestellt. Die Ausstellungsbesucher bieten für die Ausstellenden eine Art von Spiegelbild, durch das sich die künstlerische Gestaltung von unterschiedlichen Seiten her beleuchten lässt.
In neuem Kontext des Ausstellungsortes kommen die Bilder anders zur Geltung.
Ein Beispiel: Die 19 jährige P. entdeckt die Liebe zum Malen von Schmetterlingen. Sie bekommt die Anregung, mit einem Kaligraphie-Pinsel zu malen. Sie sucht sich einen recht dunklen Ort im Flur, an dem sie verschiedene Motive auf Papier ausprobiert. Zwanzig Meter Bildmaterial entstehen. Um diese zu fotografieren und dokumentieren zu können, hängen wir die Bilder an eine weiße Wand im Atelier. P. sieht ihre Arbeiten in einem anderen Licht. Sie verfolgt interessiert unsere Betrachter-Assoziationen. Als die KünstlerInnen den Wunsch zur Ausstellung vorstellten, stießen sie zunächst auf eine Menge Skepsis bei den Kunstgruppen-TeilnehmerInnen. „Sind die Bilder gut genug für eine Ausstellung?“ „Was gebe ich von mir preis?“ Zugleich wurde den TeilnehmerInnen bewusst, dass sie ständig etwas zum Ausdruck bringen, was zum Betrachten ausgerichtet ist. Die Legitimation der Ausstellung ist deshalb in der Betrachtungsidee begründet. Interpretationsmöglichkeiten erweitern durch Rückmeldung an die Künstler eigene Gestaltungskriterien. Die Vielschichtigkeit eines künstlerischen Prozesses steht im Spannungsfeld von zielgerichteter Darstellung und emotionalem Gefühlsausdruck. Als Künstler im UNART Projekt interessiert mich die Kommunikation verschiedenartiger Menschen im Atelier. Die Wechselwirkung von Einzelarbeiten und Gruppenaktionen sollen einen künstlerischen Dialog verbildlichen, indem sich hilfesuchende Menschen orientieren.
Beispiel: Eine Gruppe von drei Personen versucht eine „schöne Nackte auf der Parkbank“ zu malen. Sie stoßen auf perspektivische Schwierigkeiten. Sie versuchen mit Perspektiv-Verirrung klarzukommen und fragen umstehende Personen, wie denn nun die Beine der Bank in Perspektive zum Rest des Bildes gemalt werden müssen. Unterschiedliche Anregungen werden erwogen, die Gruppe legt eine Skizze an und kann somit stilistische Regeln auf das eigentliche Bild übertragen. In diesem Beispiel wird die Vielschichtigkeit des Prozesses verdeutlicht. Es kommt zu vielen Übermalungen, im Endresultat sind Spuren wiederzuentdecken.
Unter formal-ästhetischen Aspekten und dem Drang nach Ausdrucksfindung findet eine nonverbale Problemorientierung statt. Die KünstlerInnen, die das Projekt begleiten, erhalten die Aufgabe der Animation zum künstlerischen Prozess. Sie erfüllen mit ihren Ideen und Gestaltungsprinzipien die Rahmenbedingen der Gestaltung im Atelier, geben Tipps zur Materialbeschaffenheit und helfen jeweils Ausdrucksformen zu verstärken. Wenn die Gruppe gemeinsam ein Bild malt, können die KünstlerInnen unterschiedliche Gestaltungselemente miteinander verbinden und zu einer Optimierung der gestalterischen Ganzheit beitragen.
In dem gestalterischen Diskurs muss der Künstler seine eignen Ideen mit ins Spannungsfeld einbringen, diese aber auch im Verhältnis, als Teil der Gruppe zum bildhaften Kompromiss beitragend, relativieren.
PatientInnen sind mit ihren individuellen Ausdruckselementen der eigenen Gefühlswelt manchmal näher am „Eigentlichen“ oder es geht zumindest von ihrer Eigenart her eine hohe Faszination aus. Der Dialog zwischen PatientIn und KünstlerIn strebt hier ein gleiches Ziel an. Das Ziel, das „Eigentliche“, was immer es ist oder sein mag, auf das Papier zu bringen, ermöglicht Kooperation. UNART zwischen Therapie und Pädagogik soll Raum schaffen, die eigenen kreativen Kräfte zu entwickeln. Auf bildnerische Ebene lassen sich im Ausdruck von Farbe, Form und Material kommunikative Erfahrungen machen. Zum Beispiel:
• Mit wem kann ich gut arbeiten?
• Wo komme ich vor?
• Kann mir die Kunst Freiräume und Strukturen näher bringen?
Bestandteile menschlichen Erlebens, wie Aggression, Trauer, Wut, Sehnsucht, Freude oder auch Leere und Fülle können zum Ausdruck kommen.
Beispiel: „ Ich will den Teufel an die Wand malen. Ich will ihn herauslassen.“ K. malt in Kooperation mit einem Künstler den Teufel in rot, lila und schwarzen Farbtönen. K. lässt sich neben dem Werk fotografieren. Die Atelieratmosphäre ermöglicht die individuelle Arbeit und fördert zugleich die Gelegenheit der Kommunikation der Individuen in ihren vielfältigen Lebenskontexten untereinander.
Es entwickeln sich im Verlauf der Projektentwicklung interessante Formen von Spielregeln, mit denen die TeilnehmerInnen ihre Freiräume entdecken. Ein „Gebrauch der Sinne „ kann in eigenartiger und vielfältiger Weise stattfinden, indem sich die Gruppe in gegebene Situationen einfühlt und Impulse und Schwingungen aufgreift.