UNaRT – aus künstlerischer Sicht

Doris Halfmann, 2004

1984 bin ich als Kunststudentin durch ein Projektseminar an der Kunstakademie Düsseldorf zu UNART gekommen. UNART arbeitet zurzeit mit 4 Kinder- und Jugend-Gruppen und 3 Erwachsenen-Gruppen im vereinseigenen Atelier. Mit jeweils 4 – 8 Patienten und 2 Künstlern.

Unart ist für die Klinik ein wertvoller Gegenpol, weil der Klinikalltag sehr streng durchstrukturiert ist und UNART eher anarchisch-chaotisch ist. In einer wöchentlichen Dosis von 2 -3 Stunden bietet sich den Patienten ein Ventil zum nonverbalen Druckabbau.

Wichtig sind dabei auch die gesellschaftlichen Rollen. Ein Patient in der Klinik befindet sich gesellschaftlich gesehen in einer marginalen und abgewerteten Position, ein Künstler befindet sich ebenfalls in einer gesellschaftlichen Randposition, diese wird aber eher mystifiziert, denn der Künstler lebt stellvertretend für die Gesellschaft die große Freiheit und Selbstverwirklichung aus, von der viele Menschen in ihrem fremdbestimmten Leben und Berufsalltag träumen.

Für die Patienten ist diese gesellschaftliche Rolle sehr interessant. Sie treffen bei UNART auf professionelle Künstler und nicht auf Kunsttherapeuten. Es existiert im UNART Atelier also nicht das Beziehungsgefälle, wie es in der Klinik vorgefunden wird:

professioneller Helfer – hilfsbedürftiger Patient,

sondern die Patienten sind während des UNART Nachmittags UNART Künstler, sie können ihre „Verrücktheit“ als besondere Sichtweise auf die Welt und damit als kreatives Potential fruchtbar machen, sich in der Künstler-Identität versuchen und sie als Perspektive für ein Leben mit ihren „verrückten“ Anteilen ausprobieren.

Ihre bis jetzt als krank angesehenen Persönlichkeitsanteile werden plötzlich nicht mehr problematisiert, sondern sind Teil der Kraft aus der achtens- und bewundernswerte Bilder und Objekte entstehen.

Indem der Patient als UNART Künstler in die Identität des Künstlers schlüpft, also eine Identitätsanleihe vollzieht, kann er seine psychischen Defizite als kreatives Potential einbringen und so eine Ich-Stärkung erleben, die ihm auf der Suche nach einem lebbaren Alltag Kraft gibt, sich selbst mit all seinen Anteilen erst einmal anzunehmen und zu lieben.

Die entscheidend wichtige Voraussetzung für die Identitätsanleihe ist die Tatsache, dass „echte“ Künstler und Künstlerinnen als Vorbilder dienen. Alle Künstler von UNART arbeiten an ihrer eigenen künstlerischen

Entwicklung und haben mit der Zeit der Jahre ihre eigenen Formsprachen entwickelt. Sie haben ein erhöhtes Maß an Phantasie und können bei einer Ideenentwicklung wunderbar als Katalysator oder Medium fungieren.

Die Jugendlichen interviewen uns Künstler immer sehr genau bezüglich unserer Lebensentwürfe und die damit verbundenen Probleme. Oft suchen sie sich nach der Entlassung Möglichkeiten, ihre Identität als Künstler weiterzuleben, denn in der Rolle des Künstlers liegt ein Stückchen Hoffnung doch noch eine gesellschaftlich achtenswertere Position erlangen zu können und nicht lebenslang als psychisch Kranker im Abseits leben zu müssen.